Mind

Hand aufs Herz // Ich und meine liebe Ungeduld

25. Januar 2016
Yoga – "Wie ich mit meiner Ungeduld umgehe"

Ich bin wohl der ungeduldigste Mensch auf Erden

Und stur obendrauf. Denn wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, wird es durchgebracht. Koste es, was es wolle!

 

WAS MICH BEWEGT
von Rainer Maria Rilke

Man muss den Dingen
die eigene, stille, ungestörte Entwicklung lassen,
die tief von innen kommt
und durch nichts gedrängt oder beschleunigt werden kann,
alles ist austragen –
und dann geboren…

Reifen wie der Baum,
der seine Säfte nicht drängt
und getrost in den Stürmen des Frühlings steht,
ohne Angst,
dass dahinter kein Sommer kommen könnte.

Er kommt…
Aber er kommt nur zu den Geduldigen,
die da sind,
als ob die Ewigkeit vor ihnen läge,
so sorglos, still und weit.

Man muss Geduld haben
gegen das Ungelöste im Herzen
und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben,
wie verschlossene Stuben
und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind.

Es handelt sich darum, alles zu leben.
Wenn man die Fragen lebt,
lebt man vielleicht allmählich,
ohne es zu merken,
eines fremden Tages
in die Antwort hinein.

 

Die wahrsten und wunderbarsten Worte von Rainer Maria Rilke. Ich habe dieses Gedicht meinen Schülern während des Shavasanas einer Yin Yoga Klasse vorgelesen. 90 Minuten loslassen, zulassen, der Stille lauschen, die keine Worte braucht.

Er spricht mir aus der Seele

Menschen, die mich kennen, lachen nun bestimmt. Ich nicht. Ha! Weil es natürlich hart ist, sich Schwächen einzugestehen. Aber darum geht es ja, oder? Und so versuche ich, über mich selbst zu lachen. Mich in meinen Gedanken zu ertappen, mich zu beobachten, wenn es mal wieder soweit ist. Wenn es mit mir durchgeht und ich innerlich rase, wenn etwas nicht so läuft, wie ich es mir gewünscht hatte.

Wenn ich will, dann will ich aber

Mein Lieblingssatz als kleine Fünfjährige. Kaum zu glauben, dass dieser von mir sei. Man könnte meinen, ich wäre ein richtiges „Arschlochkind“ gewesen. Ich sag mal, ich war einfach stur und wohl auch etwas dickköpfig.

Natürlich habe ich diese Eigenschaften immer noch in mir. Vielleicht hat es mich auch dahin gebracht, wo ich jetzt bin. Positiv ausgelegt könnte man es wohl zielstrebig und beharrlich nennen. Aber wie alles, hat auch die Ungeduld eine Kehrseite der Medaille.

Und ich arbeite wirklich hart am Umgang mit ihr, denn sie bringt mich an meine eigenen Grenzen. Ungeduld verwehrt mir nicht nur das Verweilen im jetzigen Moment. Ungeduld flüstert immerzu „Ich will dies, ich will das, ich will es anders, als es ist“. Es ist ein Gefühl der Unzufriedenheit, der Kritik, des Bemängelns. Das wiederum verrät, dass es an etwas mangelt, etwas fehlt.

Wie ich mit Ungeduld umgehe

Durch Meditation habe ich gelernt, meine eigenen Gedanken zu hören. Aber nicht nur das, sondern ich habe ihnen auch meine Aufmerksamkeit geschenkt und ihnen zugehört. Was unweigerlich passiert, wenn man in Stille sitzt. Denn man kann die Gedanken nicht einfach ausknipsen. Auch wenn ich mir das wirklich oft wünsche.

Man lernt diese Wort-­ und Satzfetzen, Gefühlsregungen, egal ob kurz aufflackernd oder immer wiederkehrend, zu akzeptieren. Sie einfach dazulassen, wo sie sind. Und vor allem wie sie sind. Sobald man alles zulässt, hält man nicht mehr daran fest – alles kann sein, alles ist möglich und ok wie es ist.

So akzeptiere auch ich meine Ungeduld, die sich immer wieder in mir auftürmt, sich wichtig machen will. Die Frage ist dann eben nur, wieviel Macht ich diesem Gefühl gebe. Steige ich darauf ein, identifiziere mich damit und agiere voll und ganz aus dieser Unruhe oder schaffe ich die Entkopplung und den Frieden mit mir selbst? Manchmal gelingt es mir, die Notbremse zu ziehen, manchmal merke ich es erst, wenn es schon passiert ist. Aber das macht uns zu Menschen. Und weil ich Herausforderungen liebe, werde ich dran bleiben und es immer wieder üben.

Valerie

 

Fotos: © Caroline Prange

 

 

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