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Kolumne // Was passiert, wenn nichts passiert?

1. Februar 2018
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Über das Leben in Leere

Manchmal fühlt sich das Leben so an, als würde es an mir vorbeiziehen. In Höchstgeschwindigkeit, so dass ich kaum erkennen kann, was um mich herum geschieht. Ich selbst stehe wie angewurzelt im Dunklen. Jeder Schritt – egal in welche Richtung – erscheint unheimlich schwerfällig. Der Schweinehund hängt bleiern auf meinem Rücken und lässt kein Vorankommen zu. Was übrig bleibt ist Leere. Vermeintlich. Aber ist das wirklich so?

Produktivität und Effizienz

Stereotypisch gesehen bin ich ja die klassische Macherin. Bei mir geht immer etwas weiter und ich stehe total drauf, mich produktiv zu fühlen. Ich bin stets darauf aus, Ergebnisse zu erzielen, zu wachsen und das natürlich möglichst flott. Die Erwartungshaltung mir selbst gegenüber ist hoch. Auch mein Umfeld ist gefordert, bei meinem Tempo mitzuhalten. Das ist einerseits großartig, um Projekte voranzutreiben, aber es strengt immens an – mich selbst und meine Mitmenschen. Sorry, Leute!

Wenn ich mich nun doch in einer dieser stagnierenden Lebensphase befinde, wehrt sich innerlich alles dagegen. Gegen das angebliche Nichtstun und Nichtvorankommen. Das Scrollen durch die perfekte Welt auf Instagram treibt es auf die Spitze. Ich fange an, mich zu vergleichen, will mithalten und werde dabei noch unsicherer. Die Liste meiner Wünsche ans Leben wird länger und gibt mir das Gefühl, sowieso nicht mehr nachzukommen.

Gedanken wie „Du bist so unproduktiv.“, „Du faules Stück!“, „Wo und wann zur Hölle ist deine gesamte Kreativität und deine Leidenschaft auf der Strecke geblieben?“, „Was hast du nur getan?“ werden lauter. Oh, wow – eine Tirade an selbstverurteilenden Bewertungen überkommt mich. Nicht gut, gar nicht gut. Denn eigentlich weiß ich es doch besser.

Loslassen und Annehmen

Schon wieder. Ich fühle mich wie eine Predigerin. Aber es ist tatsächlich so. Denn durch Loslassen von Erwartungen, wie das Leben zu funktionieren hat, kann man innerlich Raum schaffen. Man entkoppelt sich von der Kontrolle, wird weicher und kann annehmen, was da ist. Auch das Nichts.

Letztendlich gibt es von allem zwei Polaritäten, die gelebt werden dürfen. Auf ein Hoch folgt in der Regel das Tief. Und so darf man lernen nicht nur die Fülle, sondern auch absolute Leere zu leben.

Eintauchen in die Leere

Für mich bedarf dieses Annehmen sehr viel Mut. Mich mit dem Nicht-Fortschritt zu konfrontieren ist wie ein Schritt ins Bodenlose. Es fühlt sich bedrohlich an. Ich weiß nicht, was mich erwartet, denn dabei gebe ich nahezu meine gesamte Contenance ab. Aber das ist gut so, denn das sind die Phasen des Lebens, in denen sogar ganz viel passiert. Vielleicht nicht sichtbar, aber in der Tiefe gibt es immer Fortschritt, wenn man es zulässt. Ich bin gefordert dem Leben zu vertrauen.

Übung macht den Meister

Wohl wahr. Denn kein Meister ist vom Himmel gefallen. Und so ist „Vertrauen“ zu meinem ganz persönlichen Schlüsselwort geworden. Vertrauen gibt mir Rückendeckung und Stabilität durch schwierige, innere Prozesse wie diese zu stapfen. Schritt für Schritt in tiefer Verbundenheit mit mir selbst. Ich suche bewusst Rückzug in die Stille, um mit mir alleine zu sein. Ich schreibe alle Gedanken und Gefühle auf, die hochkommen. So gebe ich meinem Innenleben eine Berechtigung dasein zu dürfen und es anzunehmen. Natürlich sagt sich das alles immer leichter, als die Praxis zeigt. Aber ich übe und lerne auch meine etwas melodramatischen und verlorenen Seite an mir zu akzeptieren.

 

Signatur Valerie Unterschrift

Foto: Lena Fingerle

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